In den vergangenen Jahren hatte ich immer wieder Berührungspunkte mit dem DFB – wie z.B. im Herbst 2018, als ich beim 3. International Instructors Course „Sport for Development“ in Kamen-Kaiserau einen Vortrag zum Thema „Durch Life-Skills die Persönlichkeit entwickeln“ hielt und in meiner Kolumne, die ich seit 2016 im BDFL-Journal schreibe, ausführlich darüber berichtete.

Kontakt mit dem Leiter des DFB-Talentförderprogramms

Im Anschluss daran kontaktierte mich Damir Dugandzic, der beim DFB als Sportlicher Leiter des Talentförderprogramms tätig ist, und wir tauschen uns seitdem immer wieder über Life-Coaching und andere Förderthemen aus. Als ich ihn auf meinen aktuellen Beitrag zur Richtungsfrage in der Corona-Krise aufmerksam machte und dies aus seiner Sicht aufgrund des Leitthemas „Corona – Krise & Chance“ sehr gut zu der für den 06. & 07. Mai 2020 geplanten virtuellen Tagung mit den DFB-Stützpunktkoordinator*innen passte, erhielt ich die Möglichkeit, einen Vortrag zu halten (das komplette Tagungsprogramm gibt es hier als PDF).

Zum Vortrag

Mein Vortrag trug den Titel „Coaching – was der Sport von der Wirtschaft lernen kann“. Im Kern ging es dabei darum, darzustellen, dass der Begriff „Coaching“ in der Regel im Sport anders verstanden wird als in der Wirtschaft. Während „Coaching“ im Sport schwerpunktmäßig und eng definiert meint, nützliche Informationen in Form von Kurzformeln punktgenau vor-/weiterzugeben und damit eine gewisse Command & Control-Struktur mit klarem Hierarchiegefälle zwischen anweisenden Trainer*innen (Expert*innenfunktion) und empfangenden Athlet*innen (Ausführungsfunktion) aufweist, geht es in der Wirtschaft für Coach*innen eher um eine individuelle Prozessbegleitung bei Klärungs- und Veränderungswünschen der Klient*innen. Als Dialogpartner*innen auf Augenhöhe fordern und fördern hier Coach*innen die Selbstverantwortung und Selbstwirksamkeit der Klient*innen und unterstützen sie dabei, eigene Ressourcen und Potenziale zu entdecken und zu aktivieren, um selbstständig Lösungen für ihre Anliegen zu erarbeiten. Insofern steht nach dem Coachingverständnis im Sport die Anweisung der Trainer*innen im Mittelpunkt, während es nach dem Coachingverständnis in der Wirtschaft zentral um das Anliegen der Klient*innen geht. Aufgrund der genannten diametralen Unterschiede plädiere ich deshalb mit Verweis auf das Coachingverständnis in der Wirtschaft und bei den Coachingverbänden dafür, den Coaching-Begriff im Sport durch den Begriff „Guiding“ zu ersetzen – und dementsprechend die „Coaching-Zone“ im Fußball in „Guiding-Zone“ umzubenennen, da sich Trainer*innen während des Trainings oder Spiels mit ihren Vorgaben und Anweisungen ähnlich vorgebend verhalten wie z.B. Berg- oder Tourguides.

Ausblick: Talentförderung zwischen Prozessbegleitung und Expert*innenberatung

Im Zuge der insbesondere nach der WM 2018 und zum Teil auch während der anhaltenden Corona-Krise aufgekommenen Forderung, Spieler*innen im Profi- und Nachwuchsbereich mehr Individualität, Kreativität und Freiheit zu ermöglichen, aber auch mehr Eigenverantwortung zu übertragen, sehe ich – und das wurde in meinem Vortrag deutlich –, in einer situations- und sportler*innenbezogenen Variation zwischen Prozessbegleitung (= Coachingverständnis in der Wirtschaft) und Expert*innenberatung (= Coachingverständnis im Sport) große Chancen und Potenziale für die Entwicklung im Sport. Voraussetzung für eine gelingende Umsetzung dieser Variation ist m.E. eine entsprechende Haltung – d.h., dass sich sowohl Trainer*innen als auch Spieler*innen darauf einlassen und sich auch die Trainer*innen als Teil der Lerngemeinschaft sehen.

Es war sehr spannend und inspirierend, während und nach meinem Vortrag mit den DFB-Stützpunktkoordinator*innen und deren Leiter Damir Dugandzic darüber zu diskutieren.

Vielen Dank für diese Möglichkeit und die Einladung, Damir!

Michael Micic

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