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Klinsmann, Lahm und Peters zur Bedeutung des Umfeldes und der Lebensgestaltung

 

Drei Weltmeister – eine Meinung

Sie alle sind Weltmeister geworden: Lahm erst gestern (Herzlichen Glückwunsch!), Klinsmann bereits 1990 – beide je einmal als Spieler der DFB-Auswahl; Peters als Trainer der deutschen Hockeynationalmannschaft sogar gleich dreimal (2002 und 2006 im Feldhockey und 2003 im Hallenhockey). Aber es gibt noch etwas anderes, das sie verbindet: Alle drei Weltmeister messen dem Umfeld und der Lebensgestaltung im Spitzensport eine enorme Bedeutung bei.

Fokus Sportler

Klinsmann moniert: „Es gibt zwar eine Ausbildung zum Fußballspieler, aber nicht zu einem Fußballprofi, der weiß, wie er mit seiner Umgebung und seinem Leben umzugehen hat (2009:2)“.  Viele Profis seien von außen beeinflusst und „nur noch von dem getrieben, was über sie gesagt oder geschrieben wird“ (:2). Nach eigenen Angaben versuchte Klinsmann während seiner Zeit als Nationaltrainer und Bayern-Coach in ersten Ansätzen, den Spielern Lebenskompetenzen zu vermitteln und sie in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu fördern. Dennoch sehen er und  Peters in diesen Bereichen nach wie vor ein hohes oder gar das höchste Entwicklungspotenzial (:2; Peters, zitiert in Runde & Tamberg 2014:34).

Und Philipp Lahm äußert in seinem Buch „Der feine Unterschied“, dass viele hochgepriesene Toptalente trotz überragender fußballerischer Fähigkeiten häufig deshalb scheiterten, weil sie keine „Disziplin und Leidenschaft“ mitbringen oder nach dem ersten großen Vertragsabschluss „mit dem plötzlichen Ruhm und dem Geld“ nicht klarkommen (2011:254-255). Deshalb sei neben großem Talent auch „Charakter gefragt“ (:250) und ein gutes und vertrauenswürdiges Umfeld, das den Spieler daran hindert abzuheben (:254). Lahm schreibt, dass er sich zu Hause die Kraft hole, „um meine Arbeit gut zu machen, um gut Fußball zu spielen und so zu funktionieren, wie ein Mensch, der in der Öffentlichkeit steht, funktionieren muss“ (:242).

Fokus Trainer

Für Peters war das Zuhause in seiner Trainerzeit  auch häufig eine Kraftquelle – aber es gab auch Zeiten, in denen sie es nicht wahr. Er kennt beide Seiten. In seinem Buch „Führungsspiel“ (2008) widmet Peters unter der Überschrift „Work-Life-Balance: Das private Umfeld als Erfolgskriterium“ der Bedeutung des Zuhauses ein ganzes Kapitel und gewährt erstaunlich tiefe innere Einblicke. Er schreibt: „Meine emotionale Ausstrahlung, meine Überzeugungskraft als Trainer und Führungsfigur hängt ganz entscheidend von der emotionalen Lage zu Hause ab. Meine Spieler haben das immer wieder bestätigt“ (207). Später in seinem Buch wird Peters noch persönlicher: Er beschreibt, wie ausgelöst durch die Kritik seiner Frau Britta an seiner „oft fanatisch an maximaler Leistung orientierte Denkweise“  – ein innerer Veränderungsprozess in ihm  begann und er „als Trainer immer mehr Mensch wurde“ (:211).

Und nun?

Wenn nun das private Umfeld also laut den drei Weltmeistern Klinsmann, Lahm und Peters einen derart großen Einfluss auf Sportler und Trainer hat und ein wichtiges Erfolgskriterium ist, stellt sich freilich die Frage, warum es in Deutschland von Vereins- und Verbandsseite insbesondere im Profibereich  (im Jungendbereich ist man da weiter) nicht mehr hilfreiche und weitreichende professionelle Unterstützungsangebote gibt – schließlich verfügt man in England und den USA bereits seit Längerem über sogenannte „Player Care Teams“, die genau das leisten. Oder andersherum gefragt: Stell‘ Dir einmal vor, man würde im Profibereich andere erfolgsrelevante Bereiche wie z.B. das Athletik-, Taktik- und Techniktraining oder die medizinische Vorsorge und Rehabilitation ähnlich unprofessionell behandeln bzw. vernachlässigen. Kaum auszudenken, oder?

Michael Micic

Literatur:

  • Klinsmann, Jürgen 2009. Hoeneß hätte sich auch verabschieden müssen. Interview in der FAZ [17.12.2009]. Online im Internet unter www.faz.net [Stand: 14.07.2015].
  • Lahm, Philipp 2011. Der feine Unterschied: Wie man heute Spitzenfußballer wird. München: Kunstmann.
  • Peters, Bernhard 2008. Führungsspiel: Menschen begeistern, Teams formen, Siegen lernen: Nutzen Sie die Erfolgsgeheimnisse des Spitzensports. München: Heyne.
  • Runde, Jörg & Tamber, Thomas 2014. Traumberuf Fußballprofi: Der harte Weg vom Bolzplatz in die Bundesliga. Weinheim: Wiley-VCH.

Bild: geralt/pixabay

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