Sich „irgendwie ganz wohlfühlen“ im Job reicht auf Dauer nicht, um glücklich zu sein. Warum Karriere und Leben mehr „Wow“ brauchen – Zeit, Deine wahre Leidenschaft zu finden!

Aus zahlreichen Dialogen aus meiner Arbeit mit sehr unterschiedlichen Menschen weiß ich, dass bei vielen eine schwer in Worte zu fassende ungestillte Sehnsucht besteht, die sich sowohl auf die Arbeit als auch das Leben als Ganzes bezieht. Sie wünschen sich (mehr) vom (Arbeits-)Leben – und zwar in quantitativer und/oder qualitativer Hinsicht.

Hingabe statt Tristesse
Viele halten ihr Gehalt für ihre Tätigkeit zwar für angemessen, wollen aber nicht nur ein faires Einkommen, sondern wirtschaftliche Unabhängigkeit – nicht aus Undankbarkeit und Gier, sondern weil sie dadurch erst die psychologische Freiheit verspüren, sagen und tun zu können, was sie wirklich denken und für richtig halten, ohne Rücksicht auf Befindlichkeiten anderer nehmen oder Kompromisse schließen zu müssen.

Sie machen ihren Job zwar gut, erhalten positive Rückmeldungen, wirken äußerlich glücklich und zufrieden – fühlen sich innerlich aber dennoch „irgendwie fehl am Platz“ und nicht „wie ein Fisch im Wasser“. Sie brauchen ein anderes Umfeld, das sie spannend(er) finden und sie inspiriert. Mit allen „nur gut auszukommen“, ist ihnen zu wenig.

Sie möchten nicht nur einen sicheren Job, sondern Teil einer Bewegung sein, fortschreiten – und weder äußerlich noch innerlich auf der Stelle treten. Sie wollen nichts maschinenartig und wiederkehrend „erledigen“ und einfach nur „abarbeiten“, sondern zur Exzellenz gelangen und sich einer Sache „mit Haut und Haaren“ hingeben, sie voll und ganz erfühlen und erleben.

Und wer von dieser Sehnsucht einmal gepackt ist und ihr nachgeht, will nicht nur mehr von der Arbeit, sondern mehr vom Leben: keine oberflächlichen Bekanntschaften, sondern das Gefühl einer tiefen Verbundenheit zu anderen Menschen – Geborgenheit, Zugehörigkeit UND Eigenständigkeit, Denkanstöße, Sinn- und Körpererfahrungen.

Raus aus der Tristesse des Alltags und gesellschaftlichen Konventionen. Keine Erwartungen erfüllen, sondern das Leben wieder (oder neu) in seiner ganzen Fülle – mit Freude, Leid, Schmerz, Glaube, Hoffnung und Liebe – allein und mit Anderen entdecken.

Ableitungen für das Bildungssystem und die Wirtschaft
Und was bedeutet diese Sehnsucht nach Hingabe nun für unser Bildungssystem und die Wirtschaft? Es bedeutet, dass wir sie so früh wie möglich stillen und bereits Kindern helfen sollten, ihrer natürlichen Entdeckungsfreude nachzugehen und ihre Neugierde zu fördern, ihre Träume und Wünsche ernstzunehmen, auch wenn sie noch so groß und unerreichbar zu sein scheinen – anstatt sie aufgrund eigener mangelhafter Vorstellungskraft kleinzureden und junge Menschen darauf zu trimmen, vorgegebenen Stoff durchzukauen, nur um ihn dann nach dem Test oder der Klausur wieder bulimieartig auszuspeien.

Entscheidend ist aus meiner Sicht, dass Eltern, Erzieher*innen, Lehr- und Führungskräfte sich als Förder*innen von Potenzialentfaltung, Lebenslust und gesellschaftlicher Entwicklung verstehen – und die ihnen anvertrauten Menschen z.B. mit folgenden Worten ermutigen: „Suche nach dem, was Dich anzieht, was Dich wirklich, wirklich interessiert und fasziniert, tauche darin ein, bohre und kämpfe Dich da hinein, überwinde Hindernisse, entwickle Expertise – und dann teile sie, damit Andere durch Dich – ja: gesegnet werden. Die Welt da draußen soll etwas davon abbekommen und teilhaben dürfen an dem, was Dich inspiriert und was Du sehr gut kannst.“

Wie wäre es, wenn in Recruiting- und Mitarbeitengesprächen nicht so sehr die Anforderungen der Stelle, sondern unabhängig davon die Leidenschaften der einzelnen Mitarbeitenden für ihre eigenen Themen im Vordergrund stünden und erfragt und gefördert würden – um dann erst im zweiten Schritt gemeinsam (!) in einem offenen Dialog zu klären oder vielmehr zu spüren, ob dafür hier ein Entfaltungsraum zur Verfügung steht oder eher anderswo, womöglich sogar außerhalb?

Wer sich nicht im Denken beschränkt, findet den Sinn in der eigenen Leidenschaft
Ich erlebe immer wieder, dass in der Entwicklung von Mitarbeitenden sowohl von ihnen selbst als auch von Seiten der Begleitenden der gegebene Rahmen als Denk- und Handlungsgrenze stillschweigend vorausgesetzt wird – gerade bei großen Einrichtungen und Unternehmen. So war es auch bei einer Bekannten von mir, die als Assistenz im öffentlichen Dienst tätig ist. Die Arbeit macht ihr Spaß, sie hat einen tollen Chef, der sie schätzt und fördert. Sie kann zu Fuß zur Arbeit gehen, arbeitet in Teilzeit, so dass auch Zeit für die Familie bleibt.

Bei ihrem jetzigen Arbeitgeber wird vielleicht in Kürze eine neue attaktive Stabsstelle frei und ihr aktueller Chef hat ihr sogar zugesagt, sie auf dem Weg dahin zu unterstützen – selbst wenn er sie, eine absolute Leistungsträgerin, dann an den „Oberchef“ verlieren würde. Und sie kann sich das auch „richtig gut“ vorstellen. Es wäre ein toller Karriereschritt für sie und sie hätte in dieser Funktion auch „ganz tolle Einblicke in noch viel größere Bereiche als bisher“. Eigentlich perfekt, oder?

Und dann frage ich sie: „Wenn Du jetzt mal Deinen jetzigen Rahmen außer Acht lässt, was würdest Du dann machen?“ Wie aus der Pistole geschossen antwortet sie: „Dann würde ich mein eigenes Unternehmen gründen und als Ernäherungsberaterin selbstständig tätig sein. Ich interessiere mich schon lange für dieses Thema. Ernährung ist meine Leidenschaft.“ Ihre Augen strahlen, wenn sie davon erzählt. Sie ist voller Energie, und wenn sie spricht, dann ist es so, als wäre sie da schon mittendrin in diesem ganz anderen Job. Ich spüre, wie das auch etwas in mir entfacht. Ein heiliger Moment. – Doch nach diesem kurzen Funken wird sie plötzlich nachdenklich, überlegt die Risiken und ob sie so etwas denken dürfe, ob das nicht zu gefährlich und zu egoistisch sei, so etwas zu wagen, groß zu träumen und sich selbst zu verwirklichen…

Was würdest Du an ihrer Stelle machen? Was erwartest Du vom (Arbeits-)Leben?

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